Montag, 18. Oktober 2010

High School Life

So, da bin ich wieder! Nach vielen Tagen der Reflektion und des ausgiebigen Nachdenkens, fühle mich nun bereit von meiner Schule hier zu berichten und ich werde dafür einige Zeilen brauchen. Die "Glacier Peak High School" wird von ca. 1500 Schülern besucht und wurde im Jahre 2008 eröffnet. Die Schulfarben sind Navy-Blue, Silber und Weiß und das Maskottchen ein Grizzlybär-Bär. Der Unterricht beginnt um 7:40 Uhr und endet um 14:20 Uhr, außer an Freitagen, an denen schon um 12:20 Uhr Schluss ist.

Einer der Eingänge des Bildungs-Tempels
Die typischen gelben Schulbusse
Was die Schule hier von der in Deutschland unterscheidet fragt ihr euch? Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll! Vielleicht damit, dass eine öffentliche High-School von wirklich allen Leuten besucht wird, denn es gibt keine Selektion nach Leistung. Ich möchte damit ausdrücken, dass ich noch nie so viele verschiedene Menschen auf einem Haufen gesehen habe. Die Schüler verbindet der berüchtigte School-Spirit, die Begeisterung für die eigene Schule. Im Student-Store kann man Kleidung mit Schulemblemen erwerben - das Sortiment ist in der Größenordnung eines kleineren H&M - und die Sachen werden auch wirklich getragen. Immer wieder ist von Grizzly-Stolz und der Grizzly-Nation zu hören. Auch wenn der Unterricht um halb drei zu Ende ist bleiben viele Schüler in der Schule um ihren Hobbys nachzugehen. Ganz am Anfang steht da der Sport. Über das Jahr verteilt werden Football, Volleyball, Fußball, Basketball, Softball, Tennis, Schwimmen, Cross-Country, Golf und Leichtathletik trainiert. Und trainieren bedeutet fünf Tage die Woche mit Wettkämpfen am Wochenende. Ich hatte mich zu Anfang für das Cross-Country Team interessiert, bis ich erfuhr, dass dieses auch noch dreimal pro Woche vor der Schule trainierte.

Neben den sportlichen Aktivitäten gibt es auch noch die Möglichkeit verschieden Clubs beizutreten. Angeboten werden zum Beispiel French, Chinese, Spanisch und German Club, in denen man sich mit der Kultur des jeweiligen Landes beschäftigt. Man kann auch dem Theater, Debattier, Ping-Pong, Robotik, Recycling oder Game-Club beitreten. Für musikalische Leute sind vielleicht der Chor, das Orchester oder die Jazz-Band eine Möglichkeit und wer schon weiß was er später machen will, könnte Mitglied der "Zukünftigen Geschäftsleute" oder der "zukünftigen Farmer von Amerika" werden und zu guter Letzt gibt es auch noch ein Tanz-Team, einen Kunst-Club und eine Schüler-Regierung. Doch das Engagement ist nicht nur auf Seite der Schüler groß. Jeder Lehrer macht neben seiner Lehrtätigkeit auch noch etwas anderes. Die Französisch Lehrerin leitet selbstverständlich den Französisch-Club und mein Geschichts-Lehrer ist einer der Coaches des Football-Teams. Und Lehrer werden hier nicht einmal besonders gut bezahlt und können jeder Zeit wegen einer Kleinigkeit gefeuert werden. Besonders amüsant fand ich es als sie bei der Versammlung zum Beginn des Jahres unter Führung des Schulleiters einen gemeinsamen Tanz aufführten.

Wenn ich mir die Ausstattung dieser Schule angucke, weiß ich dass ich in einem der reichsten Länder der Erde bin! In jedem Klassenraum befindet sich ein sogenanntes „Smart-Board“, eine interaktive Tafel auf der man neben Schreiben auch im Internet surfen oder Videos abspielen kann. Auf dem Schreibtisch eines jeden Lehrers befindet sich ein Computer, der das Smart-Board steuert, ein Telefon und die sogenannte Doc-Cam, eine Kamera, die aussieht wie eine Schreibtischlampe und Beliebiges wie zum Beispiel Arbeitsblätter auf der Tafel anzeigen kann. In meiner Jahrbuch-Klasse die natürlich mit neuesten Computern ausgestattet ist, haben wir die Möglichkeit digitale Spiegelreflex-Kameras auszuleihen. Vor wenigen Wochen hat die Lehrerin sieben neue bestellt - für 15.000 Dollar. Es gibt außerdem eine große Auswahl an Teleobjektiven. Meine Koch-Klasse findet in einer Art Großküche statt, von der eine Kühl-und Gefrierkammer abgehen. Als ich neulich in der Krankenstation vorbeigeschaut habe, dachte ich, ich wäre auf einer Intensivstation - nicht nur weil überall Verletzte auf Liegen behandelt wurden sondern auch wegen dem medizinischen Equipment. Nicht zu vergessen sind die Schulbibliothek (eine kleine Stadtbücherei) und die Sportanlagen auf dem weitläufigen Campus. Außerdem gibt eine große Lunch-Halle, in der die Schüler während einer dreißigminütigen Pause ihr Mittagessen einnehmen.

Das Lernen hier funktioniert selbstverantwortlicher als in Deutschland. Ich habe auf jeden Fall mehr Hausaufgaben! Die sogenannten Assignments, also Aufgaben werden nur ganz kurz im Unterricht erwähnt und dann am nächsten Tag eingesammelt. Alles funktioniert nach einem Punkte-System den sogenannten "Credits". Für jede gemachte Hausaufgabe gibt es eine gewisse Anzahl an Punkten. Alles ist genau festgelegt. Die Note liegt weniger im Ermessen des Lehrers sondern addiert sich vielmehr aus allen gesammelten Punkten. Meine Noten kann ich jederzeit in einem Online-System nachgucken, in der jede gemachte oder nichtgemachte Hausaufgabe und jeder Test aufgeführt ist. Ich möchte nun endlich zu meiner Kurswahl kommen. Diese habe ich eine Woche vor Schulbeginn mit einem persönlichen Berater (Counsellor) zusammengestellt. Ich konnte ihn davon überzeugen mich als „Senior“ einzustufen, was hier der zwölften Klasse entspricht. Das bedeutet, dass ich an alle Senior-Events wie dem Abschluss-Ball (Prom) und der Abschlussfeier (Graduation) teilnehmen kann – inklusive dem lustigen Outfit mit Hut und Robe. Wer meinen Stundenplan liest, dem wird vielleicht auch auffallen, dass ich kein Mathe gewählt habe und das ist für mich eine unvorstellbare Freude. Ich konnte übrigens aus über 230 Kursen wählen.

1. Stunde: Yearbook
In diesem Kurs beschäftigt man sich mit der Erstellung des Jahrbuches, das am Ende des Schuljahres erscheint. Das umfasst Fotos machen, Berichte und Reportagen schreiben sowie Design. Alles läuft sehr professionell ab. Verschiedene Sektionen wie Sport, Clubs oder People werden von Editoren geleitet. Jedes Yearbook-Mitglied erhält einen Presseausweis, der einem unter anderem Zugang zur Seitenlinie des Football-Stadiums gewährt. Aber nicht nur diese Tätigkeiten machen die Yearbook-Klasse zu einer meiner Favoriten, sondern auch die zahlreichen Trips, die wir unternehmen werden. Im November fliege ich für fünf Tage nach Kansas City um dort die nationale Yearbook Herbst-Konferenz zu besuchen. Ich werde dort die Möglichkeit haben meine gute alte Freundin Frieda zu treffen, die ganz zufällig in einer Gastfamilie in Kansas City lebt. Im März werden wir dann nach New York und im April nach Anaheim, Kalifornien aufbrechen. Ich werde also noch ein paar andere Plätze dieses wunderschönen Landes kennen lernen dürfen.

2. Stunde: Kochen und Ernährung
Ja, ihr habt richtig gehört: Kochen. Am Anfang war ich vom englischen Küchenvokabular ehrlich gesagt etwas geschockt aber mittlerweile läuft es ganz gut. Ich habe bisher schon so tolle Sachen wie Choclate Chip Cookie, Zucchini Brot und Kartoffel-Püree mit Bacon kredenzt und es macht mir wirklich Spaß. Und nebenbei wiederhole ich auch nochmal den ganzen Ernährungs-Mist.

3. Stunde: Französisch   
Ich habe mich dazu entschieden, meine begonnenes Erlernen der französischen Sprache hier fortzusetzten, auch wenn ich mittlerweile erkannt zu haben glaube, das man eine Sprache nur wirklich lernt wenn man in das jeweilige Land geht und dort lebt. Aber zurück zum eigentlichen Thema, Französisch macht mir wirklich Spaß, was unter anderem auch an der netten Lehrerin liegt, deren Sohn sich sechs Jahre lang in Deutschland am Maschinenbau-Studium versuchte, so dass ich mich mit ihr gut über kulturelle Unterschiede unterhalten kann.

4. Stunde: U.S. History
Dieser Kurs war neben Amerikanischer Literatur einer der beiden, die ich als Voraussetzung meines Programmes nehmen musste. Wir haben gerade den amerikanischen Bürgerkrieg abgeschlossen und bewegen uns auf Besiedlung des Westens und Goldrausch zu. Beim Durchnehmen des "Civil War" wurde allerdings eines klar: Über Krieg wird hier anders gesprochen als in Deutschland. Unser Lehrer, der nicht nur einer der Football-Coaches ist, sondern auch für die US-Armee in Afghanistan war, legte großen Wert auf die Besprechung neuer Waffentechniken. Wie zum Beispiel dem "Minie-Ball", einer Gewehrkugel, die "eine größere Zerstörung im menschlichen Körper anrichtete, als alle Kugeln zuvor". In einem Video wird dies in einer Animation dargestellt, Blut spritzt, Knochen zerbersten - gewöhnungsbedürftig. Um das zu Verstehen muss man sich vielleicht vor Augen führen, dass dieses Land auf Krieg begründet wurde und eigentlich jeder der Meinung ist, man müsse für seine Ideale kämpfen und sterben.

5. Stunde: Amerikanische Literatur
Wie der Name schon sagt geht es hier um amerikanisches Schriftgut. Wir haben gerade das Buch "Von Mäusen und Menschen" fertig gelesen und ich merke wie diese Klasse meinen englischen Wortschatz extrem erweitert.

6. Stunde: Politik
Genauer gesagt ist es eigentlich "Government and Current Issues", was so viel bedeutet wie Regierung/Staat und aktuelle Begebenheiten. Dieses Fach dreht sich rund um das politische System der USA und aktuelle globale Brennpunkte. Im Moment befassen wir uns beispielsweise mit der Problematik im Nahen Osten und zwar in allen Einzelheiten. Nachdem uns der Lehrer unerwartet einen Test schreiben ließ, in dem auf einer unbeschrifteten Karte des Nahen Ostens 20 Länder bestimmen mussten, wurde mir klar, wie wenig ich eigentlich davon weiß. Mittlerweile kann ich sie fast alle benennen und blicke auch im Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten sowie Israelis und Palästinensern durch.   

Und genau deswegen kann ich über meinen deutschen Politik-Unterricht nur lachen! Und wisst ihr worüber ich noch lache? Über Kurswahl-Möglichkeiten und Ausstattung meiner Schule, über einige Lehrer, die sich dort unkündbar aufhalten dürfen und über Schüler, die meckern, wenn sie mal eine Stunde länger bleiben müssen. Wir können in vielen Punkten einiges von den Amerikanern lernen! Vor allem in puncto individueller Entfaltungsmöglichkeiten. Und dennoch, natürlich ist nicht alles besser. So denke ich zum Beispiel, dass sowohl der Unterricht der eigenen sowie fremder Sprachen nicht mit deutscher Qualität mithalten kann. Und eins ist ganz klar zu sagen: Meine Erfahrungen hier sind extrem subjektiv und nicht repräsentativ für die gesamten USA. Wie mein Gastvater zu sagen pflegt, befinde ich mich in einem relativ einzigartigen Teil von Amerika.

Ich hoffe ich habe euch mit meinem etwas längeren Bericht zur High-School nicht zu sehr gelangweilt, aber das musste einfach mal raus. Demnächst wird es auch wieder spannender, denn „Homecoming“ steht direkt vor der Tür, das wichtigste Ereignis im High-School Jahr. Genaueres dazu bald an dieser Stelle…