Sonntag, 19. September 2010

Baseball, Eiscreme und ein Haus am See

Ich habe nun eine Woche Schule hinter mir und bin jetzt im ganz normalen amerikanischen Schulalltag angekommen. Aber bevor ich aber dazu komme, gibt es noch viel aus den Ferien zu erzählen. Zum Beispiel, dass ich mit meiner Gastfamilie in "Safeco Field" war, dem Stadion der Seattle Mariners und das erste Baseballspiel meines Lebens gesehen habe. Und ob man es glaubt oder nicht - ich habe die wichtigsten Regeln dieses verwirrenden Sports auch noch verstanden. Worin die große Spannung liegt, blieb mir aber bis jetzt verborgen, was aber auch daran liegen kann, dass sich die Mariners im Moment nicht so gut "schlagen". 

Im Baseball-Stadium Safeco Field
Skyline von Seattle 


Nachdem Spiel fanden wir dann noch die Zeit ein bisschen durch Seattle zu bummeln, was mir wirklich gut gefallen hat. Wir waren unter anderem an der Waterfront, an der sich zahlreiche Fischrestaurants, das Aquarium und Fähren-Terminals befinden, auf dem bekannten "Pike Place Market", der in überdachten Passagen von Blumen über frisches Obst alles bietet was man sich vorstellen kann und an der "Gum Wall", einer Häuserwand, an der auch ich mich für alle Zeiten mit einem Kaugummi verewigte. Danach besuchten wir noch die heiligen Hallen, des ersten Starbucks-Kaffeehauses der Welt. Dass das Unternehmen hier gegründet wurde und auch seine Zentrale hat fällt einem vor allem durch die unglaublich hohe Dichte von Filialen auf.

Connor, Jordan und meine Wenigkeit vor der "Gum Wall"
Aber die Ferien sollten noch besser werden. Übers "Labor Day Weekend" nahm mich meine Familie mit in ihr Ferienhaus in Eastern Washington. Man muss wissen, dass der Staat Washington in der Mitte von der Kaskadenkette durchschnitten wird und zwei völlig unterschiedliche Klimazonen bietet. Westlich des Gebirges ist die Landschaft geprägt von Bergen und Wäldern und das Klima ist feucht. Auf der östlichen Seite dagegen befinden sich trockene Halbwüsten. Aus diesem Grund haben viele Leute aus West-Washington ein Haus auf der anderen Seite der Berge. Die Fahrt dorthin kostete uns ungefähr drei Stunden und als wir nach anderthalb Stunden den höchsten Pass überquerten passierten wir das Städtchen Leavenworth, das nichts geringeres ist als ein nachgebautes bayrisches Alpen-Dorf. Mehr dazu bald in einem Beitrag zu deutschen Einflüssen in den USA.

Landschaftswechsel auf der Fahrt zum "Lake House"
Als wir schließlich unserem Ziel nahe waren, brachte uns ein allgemeiner Hungerzustand dazu an einem Fastfood-Restaurant namens "Sonic" zu stoppen. Die Bestellung wurde natürlich aus dem Auto heraus vorgenommen, dann fuhren wir in eine Parkbucht und warteten bis Bedienstete auf Rollschuhen herbeigeflitzt kamen und das Essen hineinreichten. Der Knüller der ganzen Sache aber war Folgendes. Als die Dame am Schalter den mitreisenden Jack-Russel Allie im Innenraum entdeckte fragte sie, ob wir denn auch die kostenlose Eiscreme für den Hund haben möchten. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, als sie dann wirklich einen kleinen Eisbecher hineinreichte, den der Vierbeiner innerhalb von wenigen Minuten verputzt hatte. Wie dem auch sei - der Cheeseburger war einer der besten, die ich je gegessen habe. Wenige Minuten später rollte der Pickup die steile Auffahrt zu dem Gebäude hinauf, das meine Familie liebevoll "Cabin" also Hütte nennt. Und eine Hütte ist es wirklich nicht.

Die "Hütte"

Das Haus befindet sich direkt an einem See und bietet Platz für bis zu 14 Leute. Im Untergeschoss befinden sich die Schlafzimmer der Kinder, außerdem Billardtisch, Airhockey und Kicker. Die Wohngegend ist wunderschön. Viele Leute haben sich hier einen Traum erfüllt und der See ist umsäumt von hübschen Häusern. Direkt am See befindet sich ein Clubhaus mit Tennis-Plätzen, Tischtennis-Platte und Pool. Das Haupt-Fortbewegungsmittel sind Golfcarts. Im Sommer ist vor allem Wassersport wie Wakeboarding, Wasser-Ski, Inner-Tubing und Jet-Ski fahren populär, im Winter Snowboard, Ski und Schneemobil fahren. Dabei macht auch meine Familie keinen Unterschied. In der Garage des Hauses befinden sich zwei ansehnliche Boote. An den Wänden hängen über ein Dutzend verschiedene Wakeboards und Wasser-Skier, ein Kajak und über zwanzig Schwimmwesten und Neoprenanzüge. Kein Wunder also, dass wir am nächsten Tag das Boot hinter den Pickup spannten und zu Wasser ließen. Auch wenn es mir schon gut genug gefiel mit dem Boot über den See zu rasen wurde ich mit Wakeboard an den Füßen und einer Leine in der Hand aus dem Boot geworfen. Und glaubt mir, es war nicht leicht. Immer wieder und wieder fuhr das Boot an um mich aus dem Wasser empor zu ziehen, während mein Gastvater und Bruder regelmäßig kühne Sprünge vollführten. Am Ende des Tages war ich erschöpft und demoralisiert. Ich hatte es nicht geschafft auch nur eine Sekunde auf dem Brett zu stehen. Doch am nächsten Tag geschah es dann endlich. Der Motor heulte auf und ich stieg aus dem kühlen Nass empor. Auch wenn die Freude nur kurz weilte und ich wenige Sekunden später auf meinem Gesicht landete, fing ab diesem Punkt der Spaß an. Der Tag wurde davon gekrönt, dass nach drei Stunden absoluter Konzentration und Karten zählen 20 Dollar beim Pokern gewann. An den nächsten Tagen verbrachten wir weitere Zeit auf dem Boot, besuchten ein Weingut, auf dem ich leider kein Gläschen testen durfte (Alkohol ab 21 Jahren) und sahen uns einige Villen von Football-Spielern aus Seattle an. Eines der schönsten und größten war das von Seahawks Quarterback Matt Hasselback, den wir am Nachmittag auf dem See trafen als er gerade in ein gelbes Wasserflugzeug stieg, das wenige Minuten später in Richtung Seattle abhob. Es war ein tolles Wochenende und ein schöner Abschluss der Ferien - Bruchstelle zwischen Sorglosigkeit und der Härte der High School. Mehr dazu bald an dieser Stelle.

Dienstag, 7. September 2010

Die Tage in Long Beach

Wir brachen also auf zum besagten "Orientation Camp". Die Teilnahme daran war für alle Austauschschüler vepflichtend. Um 8.00 Uhr morgens wurde ich also von einem Bus an einer nahegelegenen Kirche in Everett abgeholt. Da wir ja alle in verschiedenen Orten leben, machte dieser einige Stopps um jeden aufzulesen. Ich war zuvor noch in meiner Schule gewesen um ein Foto machen zu lassen - aber dazu später mehr. Aufgrund des daraus folgenden Stresses hatte ich morgens stillschweigend die Entscheidung getroffen, mir nicht, wie in der E-Mail gefordert ein Lunch für die Busfahrt zu machen, sondern es einmal drei Stunden ohne Essen auszuhalten. Als mein Gastvater dies am Bus registrierte, schleppte er mich noch in einen Supermarkt und ich deckte mich mit Chicken-Nuggets und 40 Mini-Donuts ein. Wer hätte gedacht, wie gut diese Entscheidung war! Mir war aufgefallen, dass der Busfahrer die ganze Zeit ein heißen Reifen fuhr und der Bus das schnellste Fahrzeug auf dem Freeway war, aber mit einem Unfall hatte ich nicht gerechnet. Der Bus rammte den Pick-Up vor uns mit voller Wucht. Ein Aufschrei ging durch den Bus, Taschen und andere Gegenstände flogen umher, genauso wie ein Spanier, der gerade auf dem Weg zur Toilette war. Er konnte sich zum Glück noch an einer Sitzreihe festhalten bevor er die Frontscheibe erreichte. Hätte er ein Stückchen weiter vorne gestanden, wäre er wohl geradewegs hindurch nach draußen geflogen.

DIE BILDER DES SCHRECKENS

ZerstörteScheibe in der Führerkabine
Völlig demolierte Front des Busses


Das Resultat der ganzen Sache war, dass wir eine Stunde am Highway standen, auf die Polizei warteten und unsere Personalien aufnehmen ließen, um dann mit dem demolierten Bus auf einen Parkplatz zu rollen, wo wir mit den sich dort befindlichen anderen Austauschschülern zwei Stunden lang auf einen neuen Bus zu warten. Die Weiterfahrt bot dann allerdings Ansichten, die für alles entschädigten. Wir drangen in weitgehend unbesiedeltes Gebiet vor und die Straße schlängelte sich an Seen und Mooren vorbei.

Beeindruckende Natur auf der Fahrt nach Long Beach




Doch plötzlich änderte sich das Wetter und die Sonne war verschwunden. Als wir um 18:30 in unserem Camp ankamen herrschte dichter Nebel. Man konnte keine zwanzig Meter weit sehen und wenn man nur fünf Minuten durch die Schwaden wandelte, war die gesamte Kleidung volkommen durchnässt. Das und die Abgelegenheit des rustikalen "Dunes Bibel Campes" erzeugten eine angenehme Horrorfilm-Atmosphäre. Natürlich schliefen wir nicht in Zelten. Das Camp bestand aus einer großen Turnhalle, von der Schlafsäle abgingen, die jeweils Platz für acht Leute boten. Außerdem gab es einen Speisesaal und ein Schwimmbad. Am Abend versammelten wir uns alle um lauschten als der Musik eines ungefähr 25-jährigen Amerikaners, der sang und sich auf der Gitarre begleitete. Einige Lieder waren gut, aber was er "Hey Jude" angetan hat, werde ich ihm nicht verzeihen. Das Lied war nicht wiederzuerkennen! Er vebrachte es aus dem Beatles-Klassiker einen grauenerregend dissonanten Brei zu machen, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Auf den  "Musiker" folgte jemand der uns als " inspirierender Redner, der die Jugendlichen ermutigen wird sich auf das amerikanische Abenteuer einzulassen" angekündigt war. Der Mann war einfach klasse! Er sprach darüber jede Sekunde des Lebens auszukosten, neue Dinge auszuprobieren und zu geben, wenn man nehmen will, aber wie er darüber sprach, war amazing. Er fand die Balance zwischen Witz und Ernsthaftigkeit und bestärkte mich wahrlich in meinen Absichten für dieses Jahr. Den nächsten Tag verbrachten wir im Städtchen Long Beach

Fragwürdige Aufschrift in Long Beach

Wir streiften durch die Läden - in einem konnte man sich für 25ct eine Miniatur-Hinrichtung angucken, liefen am Strand entlang, fuhren Kart und ich verbrachte für fünf Dollar eine tolle Zeit in einer Spielhalle, in der ich Jet-Ski und Taxi fuhr und auf Elche und Eichhörnchen schoss - natürlich alles nur virtuell. In einer Eisdiele mit 48 Sorten konnte ich den Hals nich vollkriegen und entschied mich für ein Triple, also drei Kugeln, die zwar die Größe von Kokosnüssen hatten, aber dennoch auf ein Mini-Hörnchen gepflanzt wurden. Ich habe nur circa die Hälfte vom Eis gegessen - der Rest tropfte auf meine weißen Schuhe. Der Tag ging mit einem Lagerfeuer und gegrillten Marshmallows zu Ende. Am nächsten Morgen erhielten wir endlich ein paar organisatorische Informationen. So erhielten wir zum Beispiel einen Aktivitäten-Kalender. In den nächsten Monaten werden wir Baseball-Spiele sehen, zum Mount Rainier, nach Seattle und zum Kapitol in Olympia fahren, die Space-Needle erklimmen, Ski fahren und einiges mehr. Als Höhepunkt können wir im Mai an einem 7-tägigen Trip ins Disneyworld in Florida teilnehmen. Für alle Ausflüge müssen wir dabei selber aufkommen und ob ich mit an den "glücklichsten Ort der Welt" fahre steht noch in den Sternen, denn der Preis ist astronomisch hoch. Wir können dafür Geld verdienen, in dem wir in den Stadien der Seattle Mariners (Baseball), Seahawks (Football) und Sounders (Fußball) in Essensbuden arbeiten, wobei der Stundenlohn bei grandiosen sechs Dollar pro Stunde (aktuell 4, 67 Euro) liegt. Aber ich möchte mich nicht beschweren. Ich habe in Long Beach ein nettes Wochenende verbracht und werde die Leute, die ich dort kennengelernt hab noch öfter wiedersehen. Besonders beeindruckt hat mich, dass ich mich einfach mit allen unterhalten konnte egal ob sie aus Mumbai, Kairo oder Rio de Janeiro kamen. So eine Weltsprache macht doch Sinn.