Dienstag, 7. September 2010

Die Tage in Long Beach

Wir brachen also auf zum besagten "Orientation Camp". Die Teilnahme daran war für alle Austauschschüler vepflichtend. Um 8.00 Uhr morgens wurde ich also von einem Bus an einer nahegelegenen Kirche in Everett abgeholt. Da wir ja alle in verschiedenen Orten leben, machte dieser einige Stopps um jeden aufzulesen. Ich war zuvor noch in meiner Schule gewesen um ein Foto machen zu lassen - aber dazu später mehr. Aufgrund des daraus folgenden Stresses hatte ich morgens stillschweigend die Entscheidung getroffen, mir nicht, wie in der E-Mail gefordert ein Lunch für die Busfahrt zu machen, sondern es einmal drei Stunden ohne Essen auszuhalten. Als mein Gastvater dies am Bus registrierte, schleppte er mich noch in einen Supermarkt und ich deckte mich mit Chicken-Nuggets und 40 Mini-Donuts ein. Wer hätte gedacht, wie gut diese Entscheidung war! Mir war aufgefallen, dass der Busfahrer die ganze Zeit ein heißen Reifen fuhr und der Bus das schnellste Fahrzeug auf dem Freeway war, aber mit einem Unfall hatte ich nicht gerechnet. Der Bus rammte den Pick-Up vor uns mit voller Wucht. Ein Aufschrei ging durch den Bus, Taschen und andere Gegenstände flogen umher, genauso wie ein Spanier, der gerade auf dem Weg zur Toilette war. Er konnte sich zum Glück noch an einer Sitzreihe festhalten bevor er die Frontscheibe erreichte. Hätte er ein Stückchen weiter vorne gestanden, wäre er wohl geradewegs hindurch nach draußen geflogen.

DIE BILDER DES SCHRECKENS

ZerstörteScheibe in der Führerkabine
Völlig demolierte Front des Busses


Das Resultat der ganzen Sache war, dass wir eine Stunde am Highway standen, auf die Polizei warteten und unsere Personalien aufnehmen ließen, um dann mit dem demolierten Bus auf einen Parkplatz zu rollen, wo wir mit den sich dort befindlichen anderen Austauschschülern zwei Stunden lang auf einen neuen Bus zu warten. Die Weiterfahrt bot dann allerdings Ansichten, die für alles entschädigten. Wir drangen in weitgehend unbesiedeltes Gebiet vor und die Straße schlängelte sich an Seen und Mooren vorbei.

Beeindruckende Natur auf der Fahrt nach Long Beach




Doch plötzlich änderte sich das Wetter und die Sonne war verschwunden. Als wir um 18:30 in unserem Camp ankamen herrschte dichter Nebel. Man konnte keine zwanzig Meter weit sehen und wenn man nur fünf Minuten durch die Schwaden wandelte, war die gesamte Kleidung volkommen durchnässt. Das und die Abgelegenheit des rustikalen "Dunes Bibel Campes" erzeugten eine angenehme Horrorfilm-Atmosphäre. Natürlich schliefen wir nicht in Zelten. Das Camp bestand aus einer großen Turnhalle, von der Schlafsäle abgingen, die jeweils Platz für acht Leute boten. Außerdem gab es einen Speisesaal und ein Schwimmbad. Am Abend versammelten wir uns alle um lauschten als der Musik eines ungefähr 25-jährigen Amerikaners, der sang und sich auf der Gitarre begleitete. Einige Lieder waren gut, aber was er "Hey Jude" angetan hat, werde ich ihm nicht verzeihen. Das Lied war nicht wiederzuerkennen! Er vebrachte es aus dem Beatles-Klassiker einen grauenerregend dissonanten Brei zu machen, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Auf den  "Musiker" folgte jemand der uns als " inspirierender Redner, der die Jugendlichen ermutigen wird sich auf das amerikanische Abenteuer einzulassen" angekündigt war. Der Mann war einfach klasse! Er sprach darüber jede Sekunde des Lebens auszukosten, neue Dinge auszuprobieren und zu geben, wenn man nehmen will, aber wie er darüber sprach, war amazing. Er fand die Balance zwischen Witz und Ernsthaftigkeit und bestärkte mich wahrlich in meinen Absichten für dieses Jahr. Den nächsten Tag verbrachten wir im Städtchen Long Beach

Fragwürdige Aufschrift in Long Beach

Wir streiften durch die Läden - in einem konnte man sich für 25ct eine Miniatur-Hinrichtung angucken, liefen am Strand entlang, fuhren Kart und ich verbrachte für fünf Dollar eine tolle Zeit in einer Spielhalle, in der ich Jet-Ski und Taxi fuhr und auf Elche und Eichhörnchen schoss - natürlich alles nur virtuell. In einer Eisdiele mit 48 Sorten konnte ich den Hals nich vollkriegen und entschied mich für ein Triple, also drei Kugeln, die zwar die Größe von Kokosnüssen hatten, aber dennoch auf ein Mini-Hörnchen gepflanzt wurden. Ich habe nur circa die Hälfte vom Eis gegessen - der Rest tropfte auf meine weißen Schuhe. Der Tag ging mit einem Lagerfeuer und gegrillten Marshmallows zu Ende. Am nächsten Morgen erhielten wir endlich ein paar organisatorische Informationen. So erhielten wir zum Beispiel einen Aktivitäten-Kalender. In den nächsten Monaten werden wir Baseball-Spiele sehen, zum Mount Rainier, nach Seattle und zum Kapitol in Olympia fahren, die Space-Needle erklimmen, Ski fahren und einiges mehr. Als Höhepunkt können wir im Mai an einem 7-tägigen Trip ins Disneyworld in Florida teilnehmen. Für alle Ausflüge müssen wir dabei selber aufkommen und ob ich mit an den "glücklichsten Ort der Welt" fahre steht noch in den Sternen, denn der Preis ist astronomisch hoch. Wir können dafür Geld verdienen, in dem wir in den Stadien der Seattle Mariners (Baseball), Seahawks (Football) und Sounders (Fußball) in Essensbuden arbeiten, wobei der Stundenlohn bei grandiosen sechs Dollar pro Stunde (aktuell 4, 67 Euro) liegt. Aber ich möchte mich nicht beschweren. Ich habe in Long Beach ein nettes Wochenende verbracht und werde die Leute, die ich dort kennengelernt hab noch öfter wiedersehen. Besonders beeindruckt hat mich, dass ich mich einfach mit allen unterhalten konnte egal ob sie aus Mumbai, Kairo oder Rio de Janeiro kamen. So eine Weltsprache macht doch Sinn. 

1 Kommentar:

  1. Herrlich :D Die BILD(-Unterschriften) hast du gut hinbekommen :D Btw., der Artikel trieft meine Schuhe voll - mit Sarkasmus.
    LG

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