Dienstag, 30. November 2010

There's No Place Like Homecoming

Hallo Freunde! Gerade sitze ich im Auto mit meiner Gastfamilie und überquere die schneebedeckte Kaskadenkette. Wir befinden uns auf dem Weg zu unserem Ferienhaus in Eastern Washington, um dort Thanksgiving zu verbringen. Am vergangenen Montag hat es zum ersten Mal geschneit. Obwohl es nur um die 10cm Neuschnee waren führte das dazu, dass alle Schulen Dienstag und Mittwoch geschlossen blieben. Fand ich das am Anfang noch eher lächerlich, wurde mir nach der ersten Autofahrt in winterlichen Verhältnissen klar warum.  Die vielen steilen und kurvigen Straßen machen es unmöglich wirklich sicher irgendwo hinzukommen. Wir drifteten durch die Kurven und alle paar Ecken sah man dann auch wieder jemanden, der die Kurve zu schnell genommen hatte. Cool fand ich es trotzdem als mein Gastvater heute in James Bond Manier mit 180° Drehung vor die Kirche  schlitterte um meine Mom abzuholen. Eine weitere Winter-Verrücktheit konnte ich gestern aus meinem Zimmerfenster beobachten. Innerhalb des Tages fuhren mehrere Autos durch unsere ungeräumte Straße, die hinter sich einen Ski oder Snowboard-Fahrer gespannt hatten. So gerne ich jetzt noch von den letzten Wochen erzählen würde, muss ich ein wenig früher ansetzen und zwar Ende Oktober, als an meiner Schule der Homecoming-Ball stattfand. Dieser gehört definitiv zu den wichtigsten Ereignissen an einer amerikanischen High School und ist dazu gedacht, dass Ehemalige der Schule zurück kehren, also „nach Hause kommen“. Der Tanz findet gewöhnlicherweise einen Tag nach einem Football-Spiel statt, dem "Homecoming-Game".

Schon die Woche vor dem eigentlichen Ball war unglaublich. Bei der sogenannten „Spirit Week“ verkleidet man sich passend zu Motto-Tagen. Am Montag taten einem dabei schon fast die Augen weh, weil sich 80 Prozent der Schüler den Neon-Tag zu Herzen genommen hatten und in grellen Farben erschienen waren.  Am Dienstag waren es dann Pyjamas, gefolgt Grease/50’s und „Crazy Blue and White Day“. Der School-Spirit war dabei einfach unglaublich stark zu spüren, da Leute in den verrücktesten Verkleidungen erschienen. Was außerdem traditionell in dieser Woche stattfindet ist die Wahl des Homecoming-Kings und der Homecoming-Queen. Dazu finden als erstes Vorwahlen statt, bei denen  nach mehreren Runden am Ende ein Königshof herauskommt der 10 Prinzen und 10 Prinzessinnen, also 10 Paare umfasst. Diese stellen sich also zur finalen Wahl, werden fotografiert und in der Schule ausgehängt. Und dann wird Wählen gegangen und zwar nicht irgendwie, sondern höchst professionell. Nachdem ich meine Schul-ID vorgezeigt habe und der Computer bestätigt, dass ich noch nicht gewählt habe, werde ich zu einer Wahlkabine geleitet. In dieser stehe ich vor einem Wahlcomputer, der mir auf einem Touchscreen Fotos der zur Wahl stehenden anzeigt. Ich muss also nur auf zwei Bilder tippen und fertig!


Der Königshof - die Kandidaten für die finale Wahl

Am Ende der Woche fand dann eine einstündige Krönungszeremonie statt, die es mit einer guten Unterhaltungsshow aufnehmen konnte. Die Turnhalle war zu einer riesigen Bühne umdekoriert worden. Passend zum Thema dieses Homecomings, dem „Zauberer von Oz“, führte ein gelber Teppich (gelbe Straße) rund herum an allen Tribünen vorbei und endete an einem nachgebauten Schloss. Es gab mehrere Stellen zum posieren vor den Yearbook-Fotografen. Als sich die Ränge komplett gefüllt hatten (es waren auch viele Eltern gekommen) begann die Show. Die Paare wurden nacheinander vorgestellt und marschierten unter tosendem Applaus und Blitzlichtgewitter in die Halle um sich nebeneinander aufzureihen. Und dann kam das Beste. Jedes Paar hatte sich eine persönliche Choreograpie ausgedacht, um den Teppich entlang zu schreiten. Dazu wurde Musik eingespielt und die Nominierten tanzten los, trugen sich gegenseitig oder spielten ganze Liebesgeschichten nach - einfach beeindruckend. Das Highlight war ein Pärchen, das zu Anfang den Anschein machte einfach nur normal nebeneinander her zu laufen, bis sie plötzlich wie Eisläufer elegant durch die Halle glitten und Pirouetten vollführten. Möglich war das durch Schuhe mit kleinen Rollen darunter, die mir in Deutschland immer gehörig auf die Nerven gegangen sind. Nachdem die Homecoming-Queen des letzen Jahres eine Rede gehalten hatte wurde es dann endlich verkündet: Jahmie Day und Jack Bonner sind Homecoming King und Queen 2010. Unter großem Beifall wurden den Beiden ihre Kronen aufgesetzt - ein toller Moment. Von dieser ganzen Show war ich einfach begeistert. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man so etwas an einer deutschen Schule je auf die Beine stellen könnte. 

Das überglückliche Königspaar schreitet durch die Halle

An diesem Freitag fand dann auch unser Homecoming-Game statt, zu dem traditionell sehr viele Zuschauer kommen. Das hatte die Konsequenz, dass man nicht wie gewohnt in der Pause etwas zu Essen kaufen konnte, weil man dort nicht hingelangen konnte. In Halbzeitpause wurden dann nochmals der gesamte Königshof geehrt und King und Queen fuhren winkend in einem weißen VW-Beetle Cabrio ins Stadion ein. Natürlich stampfte unser Team den Gegner in den Boden, was zu einer allgemeinen Heiterkeit führte und die Freude auf den nächsten Tag steigerte, an dem der Ball stattfinden sollte. 

Nationalhymne im Football-Stadion
Unscharfes Bild von unserem Homecoming-Königspaar

Und zu einem Ball geht man natürlich nicht alleine hin. Gut einen Monat vorher waren die Homecoming-Dates das Hauptthema an der Schule, was auch mich zum Nachdenken brachte. Nachdem ich einige Wochen gegrübelt hatte, stand meine Entscheidung fest. Das Mädchen, das ich fragen wollte heißt Maci, war zu dem Zeitpunkt noch 17 Jahre alt, meiner Meinung nach sehr sympatisch und passte vom Aussehen auch sehr gut zu mir. Mit einer gewissen Nervösität habe ich sie dann nach einer Englisch-Stunde erfolgreich gefragt, zu der vielleicht auch die Milka-Schokolade beitrug, die aus Deutschland erhalten und ihr überreicht habe. Nachdem ich also ein Date hatte fing die Organisation unseres Homecoming
Nachdem ich mich in Schale geworfen hatte und meine Frisur mit Haarspray festgeklebt war fuhr ich mit meinen Gasteltern zu ihrem Haus, wo wir uns mit einem zweiten Paar treffen würden um mit ihnen den Abend zu verbringen. Ich möchte mich auf jugendfreies Vokabular begrenzen und sagen, dass sie wirklich umwerfend aussah! Dann ließen wir einige Fotos über uns ergehen und fuhren mit Jeremy und Jenna zu dem Restaurant, für das wir eine Reservierung hatten. Hinter dem wohlklingenden Namen "Kyoto's" verbarg sich ein gastronomisches Erlebnis. Das Besondere: Das gewählte Menü wir für einen live am eigenen Tisch gekocht. Die Tische bestehen nämlich aus einer riesigen Herdplatte mit einem schmalen Rand, um Teller und Getränk abzustellen. Aufgrund des besonderen Anlasses, hatte ich das Gefühl mir mal wieder etwas gönnen zu müssen. Also wählte ich den Grillteller. Dieser bot neben Reis und Gemüse eine Selektion von Steak, Hühnchen, Shrimps und Hummer - ein unglaublicher Genuss. Aber der asiatische Koch, der mit seinem Zutatenwagen an unseren Tisch heran trat, konnte viel mehr, als nur unser Essen zu zubereiten. Zuerst jonglierte gekonnt mit seinen Küchengeräten, dann ließ er auf ein Ei auf seinem Paffenwender tanzen, das zwischendurch in seiner Hemdtasche und seiner Kochmütze verschwand. Während mein Hummer auf der Tischmitte gebraten wurde, türmte er einen Vulkan aus Zwiebeln auf, goss Öl hinein und zündete ihn an. Die erwärmende Feuerwolke war nur eines der Highlights eines grandiosen Abendessens. Nachdem wir noch eine kurze Zeit durch die angrenzende Mall flaniert waren begaben wir uns gegen 20 Uhr zur Schule. 

Und die war nicht wiederzuerkennen. Vor dem Haupteingang parkten schwarze Stretch-Limusinen, Lehrer in Fracks wiesen mit Leuchtstäben die Autos ein. Im Inneren der Schule hatte sich die Lunch-Halle in deine Disco verwandelt. Der DJ ließ die Bässe durch das Gebäude wummern, Lichter blitzen unter einem riesigen Baldachin, der unter der Decke aufgespannt worden war. Wir stellten uns in die Schlange von Leuten, die die Ticket-Kontrolle passieren mussten. Am Eingang befand sich ein nachgebautes Schloss mit einem Springbrunnen davor, in dem Rosenblätter schwammen. Als nächstes begaben wir uns zur Sporthalle, in der wir erneut fotografiert wurden. Dafür kommt der Junge (also ich) übrigens ebenso auf wie für Abendessen, Ticktes und Blumen. Nach einer weiteren Schlange vor der Garderobe stürzten wir uns dann endlich in die tanzende Menge. 


Nun wusste ich durch Korrespondenz mit anderen Austauschschülern überall in den USA, dass sich nicht jeder Europäer sofort mit dem amerikanischen Tanzstil anfreunden kann. Das sogenannte "Grinden" bezeichnet einen engen Paartanz, der sich durch die wörliche Übersetzung "Schleifen" gut von selber erklärt. Lasst es mich so formulieren, das ich mich der amerikanischen Kultur in diesem Punkt gut anpassen konnte. Auch, wenn ich bestätigen kann, dass ich Dance-Moves beobachten konnte, die eindeutig von sexueller Unterdrückung herrühren. Alles in allem eine großartige Nacht, die um Mitternacht ein viel zu frühes Ende fand. Ich hatte das Gefühl gute Entscheidungen getroffen zu haben und freue mich jetzt schon auf den nächsten Ball im Februar. Dann aber, müssen Mädchen Jungen für ein Date fragen und das Beste ist: Sie bezahlen auch für alles.

Montag, 8. November 2010

Impressionen eines Football-Spiels

Football-Spiele sind eine der Sachen, die mir als erstes in den Sinn kommen, wenn ich an eine amerikanische High-School denke. Und tatsächlich sind diese Wettkämpfe in der Lieblingssportart der Amerikaner mehr als nur ein sportliches Ereignis. Die Schüler kommen um ihren School-Spirit zu zeigen und mit ihrer Mannschaft mizufiebern genauso wie viele Eltern, die sich mit Freunden dazu verabreden, um zusammen ein Football-Spiel anzugucken. Dazu kommen noch viele Ehemalige, die weiterhin ihrer Mannschaft treu bleiben. Diese Menge von Leuten schafft es fast die Atmosphäre eines deutschen Fußball-Stadions zu erzeugen, abgesehen davon, dass man kein Bier in den Nacken geschüttet bekommt - es gibt nämlich erst überhaupt keins. Kurz vor Beginn des Spiels, wenn sich die Schüler  in den verrücktesten Verkleidungen voller Vorfreude auf den Rängen drängen, muss natürlich noch Zeit für ein bisschen gepflegten Patriotismus sein. Doch wenn die Stimme der besten Sängerin des Schulchores in den Abendhimmel schallt und die amerikanische Nationalhymne vorträgt, dann bekomme auch ich Gänsehaut. Danach wird noch gemeinsam der Fahneneid geschworen, genau wie jeden Morgen in der Schule. Ich habe mich dazu entschieden mitzusprechen aber es zu unterlassen mir die Hand aufs Herz zu legen.

Und dann fluten die Anfeuerungsrufe durch die Tribünen und erfassen das ganze Publikum, gschürt von der Gruppe hübscher junger Damen in kurzen Röcken, die sich in einer Reihe vor der Schüler-Tribüne aufgebaut hat - den Cheerleadern. Und die machen wirklich einen unglaublichen guten Job! Über die ganzen Dauer des Spiels (zwischen zweieinhalb und drei Stunden) tanzen sie bei jeder Temperatur ihre Figuren und haben immer ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. Um ehrlich zu sein, weiß ich oft garnicht wo ich hingucken soll, wenn im Hintergrund das Spiel tobt und im Vordergrund die Cheerleader ihre langen Beine durch die Luft schwingen. Diese gehöre in der Schule dem Klischee entsprechend auch zu den begehrtesten jungen Damen genau wie die Football-Spieler einen relativ hohen Status genießen. Betritt man die Schule den Haupteingang blicken sie wie Götter von überlebensgroßen Abbbildnissen auf einen herab. Aber einfach nicht zu sehr zu betonen ist der School-Spirit aller Schüler. Vor kurzem hatten wir die sogenannte "Rally to the Valley". Man muss wissen, das Glacier Peak selber nur ein Football-Feld aber kein Stadium hat, so dass alle Spiele an der 10 Minuten entfernten Snohomish High School stattfinden. Dahin zog an besagtem Freitag unter Polizei-Eskorte eine nicht enden wollender Corso von Blau-Weiß geschmückten Autos, in denen sich Schüler, Eltern und Lehrer auf den Weg zum Spiel machten. Aus einigen schallte laut unsere Schulhymne, die meißten hatten auf ihre Scheiben mit spezieller Farbe Sieges-Parolen geschrieben und bei den meisten Pick-Ups war die Ladefläche zur Sitzgelegenheit für Fans umfunktioniert worden. Aber nun zurück zum Spiel, das ich vor wenigen Wochen in meiner Funktion als Yearbook-Mitglied ablichtete. Nachdem ich mir in der Schule eine neue Canon-Spiegelreflexkamera mit 250 mm Objektiv ausgeliehen gewährte mir mein umgehängter Presseausweis Zugang zur Seitenlinie und die Jagd nach guten Bildern begann. Schließlich war ich nicht der Einzige. Etwa ein Dutzend anderer Schüler berichteten für Yearbook von dem Spiel. Ich habe mir also alle Mühe gegeben und das ist dabei herausgekommen:

 
Es war übrigens Breastcancer Awareness Day, weswegen wir alle aufgefordert waren, statt in unseren Schulfarben Blau und Weiß in Pink zu erschienen, um auf die Gefahren von Brustkrebs hunzuweisen. Anlässlich eben dieses Tages, nahmen vor dem Spiel ein paar Grundschüler für kurze Zeit den Platz der Cheerleader ein.

Szenen eines intensiven Spiels. Footbal ist eine Sportart mit viel Körperkontakt und einem gewissen Verletzungpotential. Am hinteren Ende des Spielfeldes stehen immer ein Krankenwagen und Sanitäter für den Falle einer schweren Verletzung bereit. Wird ein Spieler egal welcher Mannschafft verletzt verstummt das Publikum und setzt sich, bis derjenige wieder auf beiden Füßen steht.




In der Pause gibt das gigantisch große Schulorchester ein paar Stücke zum Besten. Während des Spiels ist für dieses extra ein Tribünenabschnitt reserviert, von dem das Publikum mit Musik versorgt wird.

Einer der Schiedsrichter befindet sich auf einer Hebebühne, um einen besseren Blick zu haben

Erschöpft versammeln sich die Spieler auf dem Feld. Das Spiel haben wir natürlich gewonnen und nun ist es Zeit für ein paar Worte von Schrank Coach Rory Rosenbach, der eine Legende der "Huskies" ist, der Football-Mannschaft der University of Washington in Seattle und auf den die Bezeichnung Schrank so zutrifft, wie auf noch keinen Menschen, dem ich bisher begegnet bin.